02 Okt 2024
Anspruchsvolles Projekt in Memmingen souverän realisiert
Anspruchsvolles Projekt in Memmingen souverän realisiert
Bauunternehmen nutzte Kanalbau zur AK1-Prüfung
Mitten auf der grünen Wiese entsteht in Memmingen ein hochmoderner Gesundheitscampus. Der Klinikneubau soll nach seiner Fertigstellung das bisherige örtliche Krankenhaus ersetzen, da eine Generalsanierung des alten Standortes nicht realisierbar gewesen wäre. Dabei steht sowohl beim Bau als auch beim Betrieb der Klinik das Thema Nachhaltigkeit im Fokus. So wird zukünftig ein Teil des Wärmebedarfes über Wärmetauscher aus dem Abwasser gewonnen. Bevor jedoch der Bau des Klinikgebäudes starten kann, waren wichtige Vorarbeiten im Untergrund im Rahmen der Baufeldfreimachung notwendig. Bislang querte einer von drei großen Mischwassersammlern der bayerischen Stadt das Gelände. Dieser musste nun für den Neubau auf einem Teilstück U-förmig um das Baufeld herumgelegt werden. Damit bei der großen Dimension der Rechteckprofile mit den Außenmaßen 3,50 Meter x 3,90 Meter alles reibungslos verlief, setzte das Memminger Tiefbauamt zur Qualitätssicherung auf den Güteschutz Kanalbau. Gleichzeitig nutzte das ortsansässige Bauunternehmen Josef Hebel GmbH & Co. KG diese Maßnahme, um eine Aufprüfung vom Gütezeichen AK2 auf das Gütezeichen AK1 durchführen zu lassen.
Kompetente Unterstützung in Detailfragen
Ein sieben bis acht Meter tiefer, geböschter Graben, der an der Sohle rund sechs Meter Breite maß, durchzog auf einer Länge von knapp 400 Metern das Gelände in unmittelbarer Nähe des Autobahnkreuzes BAB 7/ BAB 96 im Memminger Norden. In diesen gigantischen Graben verlegte Josef Hebel insgesamt 170 Fertigteilelemente für den neuen Trassenabschnitt des Mischwassersammlers. „Der bisherige Mischwassersammler ist erst 28 Jahre alt und wurde in Ortbetonbauweise erstellt. Aufgrund des engen Zeitplanes – mit dem Rohbau der Klinik soll bereits im Februar 2025 begonnen werden – ist die Entscheidung für Betonfertigteile gefallen“, erklärt Urs Keil, Leiter des Tiefbauamtes Memmingen. Problematisch bei dieser Variante war dann das Thema Dichtheitsprüfung. „Bei der Dimension war eine klassische Dichtheitsprüfung mit Wasser oder Druckluft nicht möglich“, erläutert Thilo Knechtel, der als Oberbauleiter von Josef Hebel die technische Koordination der Baustelle in der Arbeitsvorbereitung begleitet hat. Gemeinsam mit Marcus Peterlik, dem zuständigen Prüfingenieur vom Güteschutz Kanalbau, wurde deshalb nach einer Alternative gesucht. „Wir haben uns mit dem Auftraggeber darauf geeinigt, die Dichtheit der Rohrverbindungen über das Spaltmaß nachzuweisen“, so Knechtel. Und weiter: „Die Rohre hatten eine werkseigene Produktionskontrolle. Im Werk wurde dann zusätzlich an einem Musterstrang eine Druckprüfung vorgenommen und die Spaltmaße gemessen. Mit diesen Werten haben wir dann die Dichtheit auf der Baustelle nachgewiesen.“
RAL-Gütesicherung Kanalbau
Unternehmen mit Gütezeichen Kanalbau müssen stets über auskömmliche Referenzen im entsprechenden Schwierigkeitsgrad verfügen. „Während sich der Ausführungsbereich AK2 auf den Einbau von Abwasserleitungen und -kanälen in offener Bauweise in einer Tiefenlage bis fünf Meter bezieht, ist der Ausführungsbereich AK1 erweitert auf den Einbau in Tiefenlagen auch größer fünf Metern und unter erschwerten Bedingungen sowie dem Einsatz technisch anspruchsvoller Bauverfahren,“ so Peterlik. „Sehr komplexe Kanalbaustellen, wie in Memmingen, werden zunehmend seltener ausgeschrieben. Deshalb, wenn wie in diesem Fall im Unternehmen die Voraussetzungen und das Know-how für Maßnahmen im Schwierigkeitsgrad AK1 vorhanden sind, können solche Projekte als Referenz für eine Aufprüfung in die Gruppe AK1 genutzt werden“, erklärt Peterlik weiter. Im konkreten Fall mit Erfolg: Der Güteausschuss der Gütegemeinschaft hat den Antrag der Josef Hebel GmbH & Co. KG begutachtet und im Ergebnis das Gütezeichen AK1 verliehen. Hierbei habe Josef Hebel vom Güteschutz Kanalbau auch Unterstützung in Bezug auf diese Maßnahme erhalten. „Diese Kanalbaudimensionen sind nicht alltäglich und da tauchen technische Detailfragen auf, bei denen wir von den Erfahrungen und der Kompetenz des Güteschutzes profitiert haben“, resümiert Knechtel.
Sondervorschlag sorgte für zeitlichen Gewinn
Ursprünglich war für die Grabensicherung ein Voraushub mit Gleitschienenverbau vorgesehen. Hierbei hätten die 27 Tonnen schweren Fertigteile beim Einbau allerdings durch die Spindeln des Verbaus gefädelt werden müssen, wobei die Gefahr eines Verkantens oder Verklemmens bestanden hätte. Vor diesem Hintergrund hat Josef Hebel frühzeitig mit dem Planungsbüro einen Sondervorschlag mit geböschtem Graben diskutiert. Diesem stimmten die Beteiligten unter der Bedingung zu, dass das vorgesehene Baufeld durch den Aushub nicht vergrößert wurde. Berechnungen vom Geostatiker zur Standfestigkeit des Bodens stellten zudem sicher, welchen Abstand vom Böschungsrand der für den Einbau der Betonfertigteile erforderliche mobile Kran einhalten musste. Zum Einsatz kam ein Raupenbagger mit einer Traglast von 250 Tonnen, wie er häufig beim Bau von Windkrafträdern eingesetzt wird.
Montage mit Fingerspitzengefühl
Auch wenn der Einbau der Rohre in dem geböschten Graben weniger kompliziert war, brauchte das Team von Josef Hebel Augenmaß und Fingerspitzengefühl. „Die Anschlagspunkte an den Fertigteilen waren im Vorfeld exakt berechnet worden, damit die Rohre beim Einbau und Zusammenfügen stets in Waage waren“, so Knechtel. Hierbei war zu berücksichtigen, dass auf einem 260 Meter langen Teilstück des insgesamt 400 Meter langen Kanalneubaus zu einem späteren Zeitpunkt Wärmetauscher in den Kanalquerschnitt eingebaut werden. Diese sollen einen Teil des Wärmebedarfes der neuen Klinik aus dem Abwasser gewinnen.
Aber dadurch hatten die Rohre für den Abschnitt einen asymmetrischen Innenquerschnitt, weshalb die Anschlagspunkte variierten. Nach Aushub des Grabens und Einbau einer Sauberkeitsschicht konnten im Schnitt zwölf Rohre pro Tag auf einer dünnen Splittschicht verlegt werden. „Spitzenleistung waren sogar 15 Rohre an einem Tag“, wie Johannes Steiner, zuständig für die Entwässerungsplanung beim Tiefbauamt Memmingen, erklärt. Im Vergleich: Bei der ursprünglichen Verbau-Variante wären es im Schnitt nur drei Rohre pro Tag gewesen. Zusammengefügt wurden die Rohre mit Hilfe von Kettenzügen. „Hierfür war es wichtig, dass das einzubauende Rohr nicht komplett auf die Sauberkeitsschicht abgesetzt wurde, sondern sich kurz darüber im Schwebezustand befand. Sonst wäre das Zusammenziehen der Rohre nicht möglich gewesen“, so Knechtel.
Hamburger Heber sorgt für trockenen Umschluss
Knifflig war auch der Anschluss des in Betrieb befindlichen Kanals an den neuen Trassenabschnitt. Der Mischwassersammler entwässert den ganzen westlichen Teil von Memmingen. „Im Trockenwetterfall fließen so zwischen 20 und 40 Liter pro Sekunde durch den Kanal“, so Steiner. Für den Fall reichen normale Tauchpumpen, die das Abwasser umpumpen. Bei Regen reichen die Tauchpumpen allerdings nicht mehr aus. Deshalb wurden an den zwei Umschlusspunkten Hamburger Heber installiert. Diese leiten das Abwasser bei Regen durch große Stahlrohrleitungen DN 800, sodass beide Anschlussbauwerke in Ortbetonbauweise erstellt werden konnten.
Bevor der Kanal in Betrieb genommen werden kann, müssen die Wärmetauscher eingebaut werden. Danach sind entwässerungstechnisch die Voraussetzungen für den ersten Spatenstich des Gesundheitscampus erreicht.