17 Mai 2023
Ein deutliches Statement auch an politische Entscheider
Ein deutliches Statement auch an politische Entscheider
Mitgliederversammlung des Rohrleitungsbauverbandes in Dresden
Der Blick zurück auf ein bewegtes Jahr, das von Materialpreissteigerungen und Lieferengpässen genauso geprägt war wie von gestiegenen Energiekosten und dem Ringen um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, stand im Mittelpunkt der diesjährigen Mitgliederversammlung des Rohrleitungsbauverbandes e. V. (rbv), Köln, die am 21. April in Dresden stattfand. Von dem Zusammentreffen der rbv-Mitglieder ging das deutliche Signal aus, dass sich die Branche, im Schulterschluss mit allen relevanten gleichgesinnten Verbänden, mit höchstem Engagement dafür stark machen wird, dass die von Leitungsbauern errichteten Gasnetze ein Herzstück der Energiewende sein müssen. „Wir brauchen diese Netze, um das Potenzial klimaneutraler Gase in der Industrie, im Wärmemarkt und insbesondere auch als Energiespeicher zu nutzen. Andernfalls verspielen wir eine entscheidende Technologieoption, um unser Energiesystem erfolgreich zu transformieren und zu dekarbonisieren“, betonte rbv-Präsident Dr. Ralph Donath in seiner Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
„Das Geschehen, das mit dem Krieg in der Ukraine vor mehr als einem Jahr begonnen hat, wirkt bis heute noch immer sehr stark auf uns alle nach“, betonte Donath. Nachdem die Politik zunächst sehr pragmatisch reagiert und die Planung von fünf Flüssiggasterminals auf den Weg gebracht habe, von denen bereits eins in Betrieb sei, wandele sich der anfängliche Pragmatismus wieder in Richtung der bekannten ideologischen Phrasendrescherei. „Aktuell wird versucht, uns eine Energiewende aufzuzwingen, die weder Hand noch Fuß hat. Es kann und wird nicht funktionieren, die Energiewende rein elektrisch zu betreiben und das bundesdeutsche Gassystem komplett durch Strom zu ersetzen“, unterstrich Donath. Die im Mai 2022 aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums artikulierte Aufforderung zum Rückbau der Gasnetze sei ein Weckruf und zugleich ein Initial der Erkenntnis gewesen, dass es im Leitungsbau jetzt um alles gehe. „Der rbv ist nun ganz neu gefordert! Gemeinsam mit befreundeten Branchenverbänden müssen wir die Zukunft unserer Gasnetze sehr klar in den Blick nehmen und explizit und mit Nachdruck in Richtung politischer Entscheider Stellung beziehen.“ Der Leitungsbau müsse nun auf Basis seines fundierten Sachverstandes zum Vordenker einer tatsächlich realisierbaren Energiewende werden. „Ich sehe uns als stille Architekten einer zukunftsfähigen Energieversorgung. Es ist eine sehr interessante Zeit, die nun vor uns liegt“, so Donaths Aufforderung, die der Branche zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten zukünftig noch effektiver zu nutzen.
Chancen sehen und ergreifen
Auch rbv-Hauptgeschäftsführer Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dieter Hesselmann begrüßte die rund 180 Teilnehmenden zu der seit über 20 Jahren bestbesuchten rbv-Mitgliederversammlung in Dresden mit einer klaren Richtungsbotschaft. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der Atomenergie sowie der Ausbau erneuerbarer Energien, gepaart mit der Diversifizierung von Energie- und Lieferländern bringe eine Transformation der Energiesysteme und der damit einhergehenden Leitungsinfrastruktur mit sich. Zudem mache der Klimawandel mit seinen unbeherrschbaren Wetterlagen ebenfalls eine Anpassung der Leitungssysteme im Wasserbereich erforderlich. „Diese gewaltigen Transformationen lösen bisherige Grenzen zwischen Wertschöpfungsstufen auf und schaffen neue Geschäftsmodelle. Die klimafreundliche Energieversorgung von morgen bietet gerade unserer Branche jede Menge neuer Chancen“, so Hesselmanns Appell, sich den sich verändernden Rahmenbedingungen mutig zu stellen. Große Transformationen, wie die erste und zweite industrielle Revolution, so Hesselmann, oder die noch laufende Digitalisierung würden deutlich zeigen, welche Möglichkeiten, aber auch umwerfenden Veränderungen in solchen Prozessen stecken. Mit Blick auf die aktuelle energiepolitische gesellschaftliche Debatte betonte Hesselmann ebenfalls, dass es nun absolut an der richtigen Zeit sei, die Irrungen und Wirrungen fachlich nicht sachverständiger Politiker deutlich zu kommentieren, um diese in ihrer Entscheidungsfindung hoffentlich zu korrigieren. „Gemeinsam mit Partnerverbänden haben wir uns auf Basis des in unserer Branche vorhandenen Sachverstands eine Meinung zum klimaneutralen Energiesystem der Zukunft gebildet und diese forciert in Richtung politischer Entscheider adressiert und deutlich kundgetan. Und dies hat Wirkung gezeigt“, so Hesselmann. Der aktuell in novellierter Fassung publizierte Referentenentwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sei technologieoffener und berücksichtige gleichermaßen grünen und blauen Wasserstoff sowie Biomethan als Energieträger der Zukunft. Dies sei zwar ein guter Schritt in eine richtige Richtung, gleichwohl beinhalte auch der neue Entwurf immer noch zu hohe Hürden unter anderem für molekülbasierte Energieträger und skizziere einen inakzeptablen Zeitplan für eine Nutzung klimaneutraler Gase. Deshalb werde sich der rbv an der Seite der Bundesfachabteilung Leitungsbau in der BAUINDUSTRIE und des DVGW weiterhin dafür einsetzen, dass das Gesetz im parlamentarischen Verfahren nachgebessert wird, um einem Markthochlauf von Wasserstoff im Wärmemarkt den Weg zu bereiten. „Und wenn wir weiterhin Gehör finden möchten“, so Hesselmann, „müssen wir die gesamte Klaviatur einer strategischen Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation forciert bedienen. Passend zum Thema Energiewende und Unabhängigkeit von russischem Erdgas hat unser Verband ein Filmteam und einen Influencer zum Bau der Wilhelmshavener Anbindungsleitung (WAL) entsandt.“ Dieser Video-Clip generiere einerseits ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für eine besondere Klimaorientierung des Leitungsbaus – denn die WAL sei wasserstofftauglich – als auch für die hohe Leistungsfähigkeit dieser Branche, die eine Pipeline in Rekordgeschwindigkeit gebaut habe. Diesen YouTube-Video-Wurf werde man zeitnah auf TikTok mit einem eigenen Leitungsbau-Kanal verlängern, um die Branche noch intensiver in das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu rücken und potenzielle Fachkräfte zu finden.
Aus der Herzkammer des Verbandes
Nach dem Bericht der Geschäftsführung gehörten selbstverständlich die Berichte des Technischen Lenkungskreises und des Ausschusses für Personalentwicklung des rbv zum Pflichtprogramm der Mitgliederversammlung, um das genauso vielfältige wie umfängliche Tätigkeitsspektrum des Verbandes vollständig abzubilden. Obwohl man aktuell noch von einer zufriedenstellenden Auftragslage sprechen könne, so Dipl.-Ing. (FH) Dirk Schütte, Vorsitzender des Technischen Lenkungskreises, in seinem Bericht über die Gremienarbeit der Organisation im Bereich Technik, würden doch die ungeschickten politischen Debatten um die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland zu Verwerfungen führen und diese stabile Auftragslage gefährden. „Wie kann der Verband die technologischen und regulatorischen Rahmenbedingungen verbessern, die den Arbeitsalltag seiner Betriebe und Unternehmen bestimmen? Und welche Prozesse gilt es zu optimieren, damit der Leitungsbau praxisorientiert und zukunftsfähig bleibt?“ Dies seien im Jahr 2022, so Schütte, wieder relevante Fragestellungen gewesen, mit denen sich die technischen Gremien des rbv intensiv beschäftigt hätten. Nach einem kurzen Überblick über die Regelwerksarbeit des Gremiums betonte Schütte vor dem Hintergrund der angespannten Fachkräftesituation im Leitungsbau, dass es nun darum gehe, keine Hände zu verlieren. „Jeder Mitarbeiter, der unsere Branche verlässt, kommt voraussichtlich nicht wieder und wird uns bei der in großer Fülle zu bewältigenden baulichen Aufgaben fehlen!“
Im Zentrum der Zukunft
„Schlussendlich wird unsere Branche nur dauerhaft zukunftsfähig bleiben, wenn wir das Potenzial unserer Mitarbeiter zielgerichtet nutzen und uns verantwortungsvoll um die Menschen kümmern, die in unseren Betrieben arbeiten“, hob Dipl.-Ing. Armin Jordan, Vorsitzender des Ausschusses für Personalentwicklung im rbv, hervor. Um die wichtigsten Themen der Branche rund um eine gezielte Personalentwicklung und -gewinnung passgenau auf der Zukunfts-Roadmap des Verbandes zu platzieren, habe sich der AfP im laufenden Jahr intensiv und konstruktiv mit dem Kreis der Jungen Führungskräfte über die in diesem Zusammenhang wichtigsten Weichenstellungen ausgetauscht. „Der Mensch steht im Mittelpunkt für uns“, so Jordan. „Er befindet sich im Zentrum, wenn wir über Konzepte zur Zukunfts- und Überlebensfähigkeit unserer Betriebe nachdenken.“ Deshalb, so Jordan, beschäftige man sich immer intensiver unter anderem mit der Zukunftsinitiative des Leitungsbaus zur Fachkräftegewinnung „#pipeline31“ sowie im Rahmen der Neuordnungsverfahren für Bauberufe mit der Präsentation und Weiterentwicklung interessanter beruflicher Perspektiven im Leitungsbau. Auch die Ansprache von Fachkräften aus Drittländern sei aktuell ein wichtiges Thema für die Akquise von Fachpersonal. Insgesamt habe der Verband mit der Weiterentwicklung vieler Fort- und Weiterbildungsangebote – analog und digital – im aktuellen Berichtszeitraum zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht, um die Fachkräftebasis der Branche zu wahren und auszubauen.
Ein Abschiedsgruß an Pico
Zum Programm der Mitgliederversammlung gehörte unter anderem die von Ehrenpräsident Dipl.-Ing. Klaus Küsel in Anspielung auf die Schwächen der Ladeinfrastruktur für eine flächendeckende Nutzung von E-Mobilität scharfzüngig moderierte Entlastung des Vorstands. „Bleibt gesund und tapfer am Thema“, so der in Hinblick auf die neuen regulatorischen Herausforderungen schalkhafte Gruß des langjährigen rbv-Präsidenten an das Auditorium. Zu den weiteren Topics der Versammlung gehörten neben den Ehrungen der rbv-Mitgliedsunternehmen für eine „runde“ Mitgliedschaft auch die Verabschiedung des langjährigen ehrenamtlich tätigen Rechnungsprüfers Dipl.-Kfm. Peter Foerstendorf, seinen Freunden und Bekannten besser bekannt als „Pico“. In seiner Laudatio würdigte rbv-Vizepräsidenten Andreas Burger den von 1991 bis 2001 als stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Berlin/Brandenburg tätigen Tief- und Leitungsbauer. Von 1992 bis 2022 war Foerstendorf als ehrenamtlicher Rechnungsprüfer für den rbv tätig. „Es ist eine Zeitenwende, wenn Du auf unserer Mitgliederversammlung zukünftig nicht mehr die Bühne betreten wirst“, unterstrich Burger. Und „Pico“ erwiderte schmunzelnd: „Ich habe mich in den vergangenen 33 Jahren intensiv für unseren Verband engagiert, aber es reicht jetzt dann. Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen, das mir stets entgegengebracht wurde, ich hatte immer großen Spaß an meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Verband.“ Abgerundet wurde dieser feierliche Moment im Anschluss mit der Ehrung der anwesenden rbv-Mitgliedsunternehmen, die bereits auf eine zehn- beziehungsweise 25-jährige Mitgliedschaft im Verband zurückblicken können.
„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unsere Branche mit Blick auf eine klimaneutrale Transformation des Energiesystems vor gigantischen Aufgaben steht. Eine tatsächlich gelingende Wasserstofftransformation, für die es aktuell noch keine klaren Rahmenbedingungen gibt, was derzeit noch zu Investitionshemmnissen führt, birgt viele Herausforderungen. Unsere Zukunft wird anspruchsvoll, aber auch sehr gedeihlich.“ Mit diesen Worten und den besten Wünschen für ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2023 schloss rbv-Präsident Donath die rbv-Mitgliederversammlung in Dresden.