04 Mai 2018
Gestärkt für eine geeinte Interessenvertretung des deutschen Leitungsbaus
Gestärkt für eine geeinte Interessenvertretung des deutschen Leitungsbaus
Die Mitgliederversammlung des Rohrleitungsbauverbandes e. V. (rbv) am 20. April in Frankfurt am Main war eine Demonstration der Einigkeit und Stärke. Davon zeugte nicht nur die einstimmige Wiederwahl des Präsidiums, sondern auch dessen positive Zwischenbilanz nach zwei Jahren Tätigkeit. Neben der Wahl des Präsidiums sowie der Berichte der Geschäftsführung, des Technischen Lenkungskreises und des Ausschusses für Personalentwicklung des rbv zählten die Ehrungen und der Gastvortrag des Wirtschaftsweisen Professor Dr. Peter Bofinger zu den Schwerpunkten der rbv-Mitgliederversammlung, an der rund 120 Vertreter der Mitgliedsunternehmen teilnahmen.
Wahrnehmung und Wertschätzung stärken
Als Meilenstein und mutigen Schritt bezeichnete der alte und neue rbv-Präsident Dipl.-Ing. (FH) Fritz Eckard Lang die 2017 beschlossene Satzungsänderung, mit der der rbv den Weg für die Erweiterung seiner Mitgliedschaft freigemacht hatte. Eine Absage erteilte Lang der kleinteiligen Verbändelandschaft des deutschen Leitungsbaus, wenn er sagte: „Die von engagierten Mitgliedern getragenen Fachverbände müssen ihren Fokus weg von Partikularinteressen, hin zu den großen verbandsübergreifenden Herausforderungen in Deutschland und Europa richten.“ Der rbv-Präsident selbstbewusst weiter: „Wir, der rbv, bieten Personal und Strukturen dafür an. Wir wollen gemeinsam unsere deckungsgleichen Interessen bündeln.“ Im Beisein zahlreicher Gäste und Vertreter der Partnerverbände wie dem Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. (AGFW), der Gütegemeinschaft Leitungstiefbau e. V. (GLT), der German Society for Trenchless Technology e. V. (GSTT) und dem Rohrleitungssanierungsverband e. V. (RSV) erneuerte Lang das Angebot an die Branchenverbände, das Netzwerk des rbv zu den wichtigsten Akteuren im Leitungsbau zu nutzen. Ebenso brauche der rbv das Netzwerk seiner Partner: „Wir reichen ihnen die Hand für eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit.“ Niemand solle dabei seine Identität aufgeben, „aber nur zusammen, mit all unseren Besonderheiten, sind wir eine starke Interessenvertretung im Leitungsbau. Nur so wird es uns gelingen, politische und öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung unserer Arbeit und Leistungen zu erreichen!“
Der Verband als Provider
Die Vertreter der Mitgliedsunternehmen bestätigten einstimmig sowohl den Präsidenten für weitere zwei Jahre in seinem Amt als auch seine beiden Stellvertreter Dipl-Ing. (FH) Manfred Vogelbacher und Dipl.-Ing. Andreas Burger. Zuvor hatte der Hauptgeschäftsführer des rbv Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dieter Hesselmann über eine arbeitsreiche, aber erfolgreiche Verbandsarbeit im Jahr 2017 berichtet und den rbv dabei mit einem Provider, also mit einem Diensteanbieter, verglichen. Als solcher pflege der rbv Kooperationen, betreibe Meinungsbildung, versorge seine Mitglieder mit relevanten Brancheninformationen und vertrete ihre Interessen bei zentralen Themen. Zu diesen zählen die Investitionen in die unterirdische Infrastruktur, eine existenzsichernde Fachkräftegewinnung und die Europäisierung des für die Qualitätssicherung unabdingbaren deutschen Regelwerks. Der Verband hat laut Hesselmann sein Netzwerk ausgebaut, unter anderem mit dem Kooperations- und Geschäftsbesorgungsvertrag mit der GSTT und einem Memorandum of Understanding mit dem RSV, das noch binnen Jahresfrist in einem Kooperationsvertrag münden soll. Hesselmann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein starker Verband das Engagement starker Mitglieder braucht.
Lenkungskreis fordert Aufbau von Planungskapazitäten
Rund 70 Vertreter der Mitgliedsunternehmen betätigen sich ehrenamtlich in den technischen Gremien des rbv. Der Vorsitzende des Technischen Lenkungskreises Dipl.-Ing. Dirk Schütte hob die Arbeit an den einschlägigen Arbeitsblättern hervor; insbesondere betonte er, dass es einer Strategie zu Europäisierung der GW 301 bedarf. Schon zuvor hatte rbv-Präsident Lang gesagt: „Wir werden nicht müde, den Schutz unserer gemeinsamen technischen Grundlage, die Zertifizierung nach DVGW-Arbeitsblatt GW 301, anzumahnen.“
Auf der Agenda des Technischen Lenkungskreises habe laut Schütte wiederholt das Thema Leitungsauskunft in Deutschland gestanden. An die Kommunen gerichtet, forderte er den Aufbau von Planungskapazitäten ein, um Ausschreibungen planmäßig auf den Weg bringen zu können. „Es bestehen gute Marktchancen, aber der Fachkräftemangel und zu geringe Planungskapazitäten bereiten uns Sorgen“, so Schütte. Mangelnde personelle Kapazitäten bezeichnete auch Lang als die wichtigste Herausforderung für den Leitungsbau in den kommenden Jahren. Gleichzeitig bemängelte er, „dass Versorger darüber nachdenken, eigene Tief- und Rohrleitungsbau-Kapazitäten aufzubauen, wo wir uns doch heute schon im Wettbewerb um Mitarbeiter befinden“. Auftraggeber seien besser beraten, die dringend erforderlichen qualifizierten Planungskapazitäten aufzubauen, um eine planmäßige und strukturierte Netzinstandhaltung zu gewährleisten.
Auftrag Mensch
Anregungen, wie potenzielle junge Nachwuchskräfte frühzeitig erfolgreich angesprochen und für die Unternehmen gewonnen werden können, gab Dipl.-Ing. Armin Jordan. Der Vorsitzende des Ausschusses für Personalentwicklung des rbv ermutigte die Mitgliedsunternehmen, die zahlreichen Instrumente und Beratungsleistungen zu nutzen, die der rbv für das Personal- und insbesondere das Auszubildenden-Marketing bereithält. Seine Ausführungen stellte Jordan unter den Leitgedanken „Auftrag Mensch“, denn es sei niemals die anonyme Fachkraft oder der Auszubildende, der angesprochen wird, sondern der Mensch mit einer konkreten Lebensplanung und Erwartung an den Beruf.
Neue Berufsbezeichnung gesucht
Jordan kündigte eine Online-Umfrage unter den Mitgliedunternehmen des rbv an. Ziel sei es, Anregungen für eine neue Berufsbezeichnung des Rohrleitungs- und Kanalbauers aufzunehmen. Ein verändertes Ausbildungs- und Aufgabenprofil im Leitungsbau müsse laut Jordan möglicherweise auch seinen Ausdruck in einer neuen Berufsbezeichnung finden.
„Schwarze Null schadet unserer Infrastruktur“
Als Gastreferenten hatte der rbv Professor Dr. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, gewinnen können. Hintergrund seiner Ausführungen war der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland. Doch wie lange hält die Konjunktur noch? Dieser Frage ging Bofinger in seinem Gastvortrag „Deutsche Wirtschaft auf Hochtouren: Wann ist die Party vorbei?“ auf den Grund.
Zunächst einmal beruhigte der Wirtschaftsweise: Die Inflation bleibe moderat, und die Produktivität nehme an Fahrt auf. „Ökonomisch spricht vieles dafür, dass sich der Aufschwung fortsetzen wird“, so der Experte. Entgegen anfänglicher Befürchtungen habe die Globalisierung Deutschland genützt. Beigetragen dazu hätten hervorragende Produkte, gute Ideen, fähige Unternehmer und engagierte Beschäftigte.
Doch einige Risiken würden bleiben, dämpfte der Wirtschaftsexperte die Erwartungen. Zu den wirtschaftlichen Risiken zählt Bofinger neben einer zunehmenden Inflation und einem Finanzsystem, das wie 2007/2008 „außer Kontrolle geraten kann“, das starke Kreditwachstum in China. Politische Risiken seien der Brexit, der drohende Handelskrieg mit den USA und „die Gefahr, dass in Europa Parteien an die Regierung kommen können, die europafeindlich sind“. In Deutschland selbst sieht der Wirtschaftsexperte eine Investitionsschwäche in allen Sektoren: „Es wird viel gespart und wenig investiert – und das trotz niedriger Zinsen.“ Das Festhalten an der schwarzen Null im Koalitionsvertrag hält Bofinger für einen Fehler. Angesichts der niedrigen Zinsen könne sich die Regierung im Prinzip zum Nulltarif verschulden. Gleichzeitig gebe es viele Investitionen mit hohen Renditen. Bofinger: „Die schwarze Null schadet unserer Infrastruktur.“
Verantwortung der Politik
So kämpferisch und selbstbewusst die Mitgliederversammlung des rbv begonnen hatte, so endete sie auch. Wieder war es der rbv-Präsident, der von den politischen Verantwortungsträgern mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Themen „unterirdische Infrastruktur“ und „Generationenvertrag Versorgungsnetzte“ forderte: „Wir begrüßen zwar die Investitionsansätze für die Verkehrsinfrastruktur, die Kommunen und für den Wohnungsbau, weil wir auch daran partizipieren können. Aber abgesehen von der Glasfaser nimmt die unterirdische Infrastruktur keinen Raum in den Überlegungen der Bundespolitik ein.“ Die Mitglieder rief er auf, den Verband zu unterstützen, ihre besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Fachgremien zu entsenden und sich engagiert in die Verbandsarbeit einzubringen. Lang: „Nur so behalten und behaupten wir als Leitungsbauer und auch als Verband unseren Platz!“